Eines Tages war es Corinna Köbele in Kalbe zu still geworden. Lange hatte sie zugesehen, wie ihre Nachbarn wegzogen. 2012 hielt sie es nicht mehr aus: „Ich wollte nicht in einer Geisterstadt leben.“ Sie entschied sich, den Leerstand umzudeuten, Kalbe als Stadt mit luxuriös viel Platz zu betrachten. Könnte man den nicht mit jungen Kunstschaffenden teilen? „Die Idee war schon ziemlich verrückt“, räumt Köbele heute ein. Aber als Psychotherapeutin sei sie wohl über jeden Verdacht erhaben gewesen. Stadt und Wohnungseigentümer zogen jedenfalls mit. Und die Künstler kamen: Im Sommer 2013 bezogen 15 Studenten unterschiedlicher Kunstrichtungen einige der am längsten ungenutzten Gebäude in der Stadt. „Sechs Frauen haben mir geholfen, die Quartiere soweit herzurichten, dass diese bewohnbar waren“, erinnert sich Köbele. Statt Vorhängen spannten sie Laken vor die Fenster, organisierten Kühlschränke. Denn Geld gab es anfangs keines. Der erste Sommercampus in der „Künstlerstadt Kalbe“ wurde dennoch zum Sommermärchen. Die Künstler arbeiteten an ihren Werken, stellten diese in der Stadt vor. „60 Leute kamen zu einer Lesung, 100 zu einem Konzert.“ Ob sie im Winter wiederkommen dürften, wollten die Stipendiaten wissen. Seitdem findet jedes Jahr der 50-tägige Sommercampus und ein 30-tägiger Wintercampus statt. Mit deutschen und ausländischen Gästen und manchmal mit bis zu zwei Veranstaltungen pro Tag. Die Kunst ist in Kalbe mittlerweile so zu Hause, dass sich auch abseits der Campus-Wochen ein Kulturbetrieb für Jung und Alt etabliert hat. „Die Kunst füllt immer mehr Häuser und Köpfe, bestimmt die Gegenwart und die Zukunft der Stadt mit.“ Drei der Künstlerinnen haben deswegen beschlossen, in Kalbe zu bleiben. Ihnen gefällt es so gut, dass sie dort ein Haus kaufen wollen.