Escherode: Zwar existieren im Ort einen Karnelvalsverein und eine Kneipe, die drei Tage im Monat geöffnet hat. Außerdem das Deutsche Haus, wo der Kulturheimatverein tagt und Treckertreffen stattfinden. Doch irgendwie befindet sich das in Endlage – beschwerlich für ältere und gehbehinderte Menschen des 756-Seelendorfes, dorthin zu kommen. Und der Bäcker- und Fischbus halten zwar zentrumsnäher, aber Tisch und Stuhl gibt es dort nicht – also wenig kommunikativ. Wo gibt es also eine Möglichkeit, sich unkompliziert auszutauschen und aufeinander zuzugehen? Das haben sich Doreen Kratzsch und andere aus dem Verein gASTWERKEe gefragt. Wobei das kleine g für Gastlichkeit, Gemeinschaft oder Gesellschaft stehen könnte. Und die Astwerke wiederum auf das bereits gut funktionierende Miteinander der Zugezogenen hinweist, die hier in Lebens- und Wirkgemeinschaften in verschiedenen Häusern wohnen und nach alternativen Lebensformen suchen.
Wie also Brücken schlagen und neue Räume schaffen, um der zunehmend antidemokratischen Stimmung in der Region entgegenzuwirken? Wie den Austausch fördern und erleichtern – für Neuankömmlinge, die sich isoliert fühlen, wie für Alteingesessene, die sich zunehmend schlechter selbst versorgen können – im Grunde genommen für alle?
Als Kulturwissenschaftlerin und Erwachsenenpädagogin hat Doreen Kratzsch ein besonderes Gespür entwickelt für heikle Verhältnisse. Spätestens seit der Ermordung Walter Lübckes und einem NSU-Mord gilt die Region Südniedersachsen/ Nordhessen als rechtsoffen. Gleichzeitig ist sie davon überzeugt, „dass einzelne Menschen große Transformationsprozesse anstoßen und gestalten können“ – wie einzelne sehr aktive Escheroder*innen bereits beweisen. Mit diesem Credo bricht sie nun gemeinsam mit anderen Aktiven auf, um konkret drei neue Orte in Escherode wiederzubeleben: Die Kneipe mit Festsaal, das Arboretum, was ein wunderschönes Waldmuseum ist, und den ehemaligen Dorfladen. In diesen drei Orten sollen über das Jahr 2024 Veranstaltungen und Aktionen stattfinden – und sei es eine ausgelassene Party, die Menschen mit verschiedenen Lebenswelten verbinden soll. Doch bevor es so weit ist, wollen sie auf die Menschen zugehen und sie befragen: „Was bewegt euch? Was braucht ihr? Wie können wir es anders aufziehen?“ Und sich selbstkritisch hinterfragen: „Sind wir überhaupt anders?“
Im besten Fall können sie ein neues Wir-Gefühl und den Zusammenhalt stärken, indem sie bestimmte Themen wie Kinder und Care, Pflege und Mobilität bearbeiten. Und auf diese Weise der zunehmenden Vereinzelung und Entsolidarisierung entgegenwirken – gemeinsam wie ein Wald, gASTWERKE-mäßig eben. Einige Treffen der verschiedenen Beteiligten haben übrigens schon stattgefunden und dazu geführt, dass es im Waldmuseum ein Kino geben soll.