In Sachsen und Thüringen gibt es viele ländliche Räume, deren Landschaftsbild auch von industriellen Produktionsstätten geprägt wird. Ihr Leerstand und zunehmender Verfall widerspiegeln die vielerorts erhebliche Verlusterfahrung der Bevölkerung. Florian Dossin ist aber davon überzeugt, dass in diesen Gebäuden „wesentliche Ressourcen – beispielsweise in materieller, sozialer und kultureller Hinsicht – für eine nachhaltige und gemeinwohlorientierte Gestaltung unserer Region bestehen.“ Um dieses Potenzial zu heben, müssen die oftmals identitätsstiftenden Orte verstanden, gemeinsam erhalten und mit Bedeutung und Nutzung wieder positiv aufgeladen werden.
Eine Entwicklung dieser zumeist unbequemen und auch baulich komplexen Orte – jenseits bisheriger Immobilienlogik – erfordert neue Perspektiven sowie innovative Ansätze. Das Institut für Graue Energie entwickelt solche neuen Strategien für Leerstandsaktivierung in den zahlreichen großzügigen ungenutzten Bestandsgebäuden und Brachflächen industriell geprägter Landschaften. Dafür liegt der Fokus auf Erforschung, Erhaltung und Wiedernutzung von in Gebäuden gespeicherter, also „Grauer Energie“. Der Speicher Oßmannstedt dient als erstes Reallabor und physisches Zentrum kommender Aktivitäten.
Vor Ort werden Dossin und sein Team gemeinwohlorientierte Perspektiven und alternative Potenziale jenseits bisheriger Marktlogiken aufzeigen. Mit der Reaktivierung der Gebäude entstehen zahlreiche Möglichkeiten des bürgerschaftlichen Engagements durch lokale Netzwerke. Im besten Falle können neue lokale Akteur*innen zum Mittun ermutigt und unterstützt werden: mit Konzeptberatung, Fördermittelakquise oder Planungshilfen. Auf diese Weise werden im ländlichen Raum Bleibeperspektiven für junge Menschen geschaffen, bisher brachliegende Orte reaktiviert und weitere Orte des Engagements entstehen.
Florian Dossin begeistert sich aber nicht nur deshalb für die alten Industriegebäude, sondern auch, weil sie bestehende Bilder von Ländlichkeit aufbrechen und diversifizieren. Aufgrund der besonderen räumlichen Qualitäten sowie dem fehlenden Immobiliendruck finden wir hier Orte einer neuen Großzügigkeit, die völlig neue Herangehensweisen ermöglichen. Beispielsweise könnte der Getreidespeicher so zwischengenutzt werden, dass er in 50 Jahren – wenn wir uns Stahlbetonbauten nicht mehr leisten können – wieder für die kleinteilige, regionale Landwirtschaft als Genossenschaftsspeicher genutzt werden kann.