Kaputte Fensterscheiben, beschmierte Wände, eine bröckelnde Fassade: Der Bahnhof der sächsischen Stadt Leisnig war zu einem Schandfleck verkommen. 20 Jahre Leerstand und Vandalismus hatten dem einstmals schönen Gebäude, eröffnet 1867, zugesetzt. Doch die Geigerin Kathryn Döhner rettete den Bahnhof, gemeinsam mit drei Mitstreitern, vor dem Verfall. Die Musikpädagogin, der Architekt Alireza Rismanchian, der Sprachlehrer Christoph Schönbeck und der Ingenieur Ofer Löwinger gründeten den Verein „Kulturbahnhof Leisnig“ und kauften 2020 das alte Gebäude. Heute ist es ein Musik- und Kulturzentrum.
Kathryn Döhner und ihre Kollegen, die alle auch Musiker sind, kommen aus dem Folk. Eine Szene, sagt sie, die ziemlich nomadisch sei. Trotzdem wünschte sie sich schon lange einen Ort, an dem die europäische Folk-Szene zusammenkommen könne. Auf der Suche nach einem passenden Gebäude stießen Döhner und ihre Partner auf den alten Leisniger Bahnhof. „Uns war gleich klar, dass er genau der Ort war, der uns vorschwebte.“ Ein historisches Schmuckstück, wenn auch ein heruntergekommenes.
„Weil wir als Fremde in den Ort kamen, wollten wir den Bewohner*innen von Anfang an etwas bieten“, sagt Kathryn Döhner. Trotz der Sanierungsarbeiten fanden gleich Konzerte und andere Veranstaltungen statt. Der erste Erfolg war das so genannte „Bahnhofsorchester“ – ein offenes interkulturelles Orchester aus Leisnigern sowie Gästen aus aller Welt, das sich fünf Tage vor der Aufführung zum Proben traf und dann ein im wahrsten Sinne des Wortes einmaliges Konzert spielte. 2022 geht man mit dem Format in die dritte Saison.
Auch der „Musiksommer“, eine Konzertreihe mit freiem Eintritt zwischen Mai und September, findet bereits zum zweiten Mal statt. Für die Zukunft wünscht sich Kathryn Döhner, die jahrelang das Orchester „Folklang“ leitete, dass auch die alte Bahnhofshalle bald fertig wird – und mit Klang gefüllt.