Musik und Lachen erfüllen die Räumlichkeiten des Jugendtreffs Schiltach. In der Küche kocht eine Gruppe junger Menschen. Im Nachbarzimmer spielen andere Billard oder Brettspiele, sitzen auf Sofas und unterhalten sich. Es ist eine kleine, ausgelassene Runde queerer Jugendlicher, die hier einen sicheren Raum des Austauschs und Seins gefunden hat.
Jonas Urbat (he/they) hat dieses Treffen in die Wege geleitet. Der Anfang 30-Jährige ist nach 15 Jahren des Studierens und Reisens zurück in seine Heimat Schiltach im Schwarzwald gezogen. Die Gemeinde mit 4000 Einwohnenden ist geprägt von Vereinsleben und traditionellen Familienstrukturen. Queere Vorbilder gab es in Jonas‘ Jugend nicht, deshalb verbindet er seine Rückkehr mit einer Bedingung. Er möchte einen queeren Jugendtreff gründen: „Ich habe mir vorgenommen, einen Raum zu schaffen, in dem Verletzlichkeit als eine Einladung verstanden wird, sich zu unterstützen und eben nicht sich anzugreifen.“
Erste Zweifel über den tatsächlichen Bedarf vor Ort räumen Gabis Enthusiasmus und eine Jugendumfrage in der Nachbargemeinde aus dem Weg. Gabi ist bereits seit vielen Jahren Jugendsozialarbeiterin in Schiltach. Sie weiß, dass ein queerer Jugendtreff seit Jahrzehnten fehlt – angeboten werden sollte dieser aber von einer queeren Person. Mit Jonas ist diese Person gefunden.
Seit mehr als vier Monaten hat sich der Treff etabliert. Zehn Jugendliche im Alter von 13 bis 18 Jahren sind regelmäßig dabei. Sie kommen aus den umliegenden Gemeinden, fahren teilweise direkt nach der Schule einkaufen, um gemeinsam vor Ort kochen zu können. Sie führen tiefgründige und persönliche Gespräche, unterstützen sich gegenseitig und finden einen sicheren Raum, in dem sie sich wohlfühlen und sich nicht verstellen müssen.
Während die Resonanz auf das Projekt größtenteils positiv ist – auch der örtliche Bürgermeister zeigt Unterstützung – gibt es vereinzelt kritische Stimmen und vor allem auch viel Unwissen über queere Themen. Das Ziel von Jonas ist es, „dass Menschen sich darin bilden, was Marginalisierung und Diskriminierung bedeutet, um es in relevanten Momenten erkennen und eingreifen zu können.“
Das Team des Jugendtreffs besteht mittlerweile aus vier Verantwortlichen. Und obwohl das wöchentliche Treffen eine Eigendynamik entwickelt hat, gibt es viel zu organisieren, denn der queere Jugendtreff hat große Pläne für die Zukunft: Ausflüge, Filmvorführungen, Workshops, Musikproduktion, ein Sommerfestival für Queere, Allies und eher linksorientierte Menschen und vieles mehr, was den Zusammenhalt und das Selbstbewusstsein der Gruppe stärkt. Darüber hinaus möchten sie für mehr als Sichtbarkeit sorgen. Sie möchten gemeinsam ein Community-Gefühl erschaffen und die Region rund um Schiltach so gestalten und bekannt machen, dass auch Menschen aus der Ferne wissen, dass sie sich dort wohlfühlen können.