Stereotypen sind grundsätzlich immer so eine Sache. Wie schnell hatten Menschen ein klischeebeladenes Bild vor Augen, wenn vom „Ossi“ oder „Wessi“ die Rede war. Nun wachsen Generationen heran, die nach der Wiedervereinigung aufgewachsen sind und die Stereotype abgelegt haben. Einer davon ist Fabian Frucht.
Geboren am Bodensee, kam er nach der Wende mit seinen Eltern im Alter von fünf Jahren nach Brandenburg. „Ich bin im Osten groß geworden“, sagt er. „Im Grunde in der ehemaligen DDR, in der heißen Zeit des Umbruchs.“ Seine Familie habe sich als Zugezogene nicht integriert gefühlt – und vielleicht war es auch diese Erfahrung, weshalb Fabian Frucht nun einen Ort des Zusammenhalts aufbaut.
Der Landschaftsökologe lebt mit seiner Partnerin Dany in Stolzenhagen südöstlich von Angermünde in Brandenburg, direkt an der polnischen Grenze. 2020 erwarb das Paar einen alten Dreiseithof, den es nun sukzessive ausbaut – und für die Gemeinschaft nutzt. „Es gibt zwar Alteingesessene, die keine Lust auf neue Dynamiken und Input von außen haben, aber auch jene, die offen und herzlich sind“, sagt er. Also öffnete das Paar die Türen Anfang des Jahres für alle: Das alte Stallgebäude wurde zur Werkstatt, der Raum nebenan zum Café; und jeden Freitag kommen nun Jung und Alt, Zugezogene und Einheimische, Deutsche und Nicht-Deutsche, Menschen unterschiedlicher politischer Gesinnung auf den Hof, um Fahrräder zu reparieren, mit Holz oder Metall zu arbeiten oder einfach nur einen Kaffee zu trinken. Fabian Frucht fasst es so zusammen: „Leute kommen zum Werkeln, Leute kommen zum Quatschen, Leute kommen zum Fachsimpeln, Kinder toben an der Tischtennisplatte.“
Und weil der neue Begegnungsort so gut angenommen wird, soll er weiterwachsen. Es soll eine Leinwand für ein Open-Air-Kino angeschafft werden, Montageständer für die Fahrradwerkstatt, Material zur Sanierung alter Sitzmöbel und für eine öffentliche Trockentoilette. „Und wir wollen noch mehr professionelle Formate anbieten“, so Frucht, „zum Beispiel Expert:innen einladen, um einen Schweißkurs durchzuführen, Computer-Hilfe oder Kunsthandwerk zum Mitmachen anbieten. Es geht um Hilfe zur Selbsthilfe.“ Irgendwann könnte im Dachgeschoss noch ein Kunstatelier dazukommen und ein Universalraum etwa für Yoga und andere Bewegungen – ein Ort des handwerklichen und kulturellen Austausches. Ein Anfang ist also gemacht. Und wer Fabian Frucht zuhört, gewinnt den Eindruck: Er, seine Partnerin und viele helfende Hände sind noch längst nicht am Ende.